"OLC-Alpenliga": Runde sechs zeigt die Zerrissenheit der Alpen

St. Johann im Tal der Tränen – und dann doch ganz oben

Schlechte Karten für den FC St. Johann in Tirol in Runde sechs – zumindest laut Prognose: – tiefe Basis, Schauer und kaum Hoffnung auf Strecke. „Wir haben uns auf Schadensbegrenzung eingestellt“, sagt Martin Embacher rückblickend. Sechs Pilot:innen starteten noch während des Auflösungsprozesses, um überhaupt eine Wertung zu erzielen.
Die Möglichkeiten waren schnell umrissen: Flüge Richtung Unterwössen und dann entlang des Alpenrands – bis zu den nächsten Schauerwänden rund um Bad Tölz.
Nach drei bis vier Stunden war die Luft draußen – und das im wörtlichen Sinne. Die meisten landeten erschöpft vom permanenten Feilen zwischen Schauern und Aufwinden in Hangnähe. Dennoch: Guido Achleitner flog mit knapp 104 km/h einen beachtlichen Schnitt und auch der Rest des Teams sammelte Speedpunkte. Die Stimmung am Boden pendelte zwischen vorsichtiger Zufriedenheit und dem frustrierten „Na ja, immerhin dabei gewesen“. Dass am Ende sogar der Rundensieg gelang, überraschte die Österreicher – und sicherte ihnen einmal mehr die Führung in der Gesamtwertung.
Auch nicht besser – der Fight gegen Schauer und „Suppe“

Wetter-Pingpong zwischen Nord und Süd

Die Wetterküche der Alpen ist permanent am Köcheln und immer für eine Überraschung gut. In den ersten sechs Runden der Alpenliga war fast immer irgendwo etwas möglich – aber das Wetter spielte Pingpong: Während Runde vier den Norden bevorteilte, in Runde fünf im gesamten Alpengebiet Spuren zu finden waren, gehörte die Nummer sechs dem Süden.

Aosta: Höhenflüge mit Aussicht

Damit hatten die Italiener gute Karten. So fliegt Ugo Vietti über die Dufourspitze, das Matterhorn unweit des Mont Blanc bis runter nach Frankreich in die Seealpen. Teamkollegin Stephanie Praduroux wählt eine ähnliche Linie, konnte sich jedoch in einem Höhenband zwischen 4500 und 5500 Metern festsetzen – über zwei Stunden lang. Ihr letzter Abstecher zum Grand Sometta sorgte noch einmal für den nötigen Höhenkick.
Diese Vielfalt an Strecken, Taktiken und Wetterlagen zeigt: Die Alpenliga ist kein regionaler Spielplatz, sondern ein europäisches Kräftemessen mit Clubs aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz und Slowenien.

Was die Alpenliga so besonders macht

Der OLC hat mit der Alpenliga ein Format geschaffen, das europaweit einzigartig ist. Grenzüberschreitend, fair und offen. Es zählt nicht der Startplatz, sondern der Flugverlauf: Mindestens 50 % der Trackpunkte müssen im Alpen-Wertungsraum liegen. So können auch Flüge vom Flachland aus in die Alpen hinein gewertet werden – das bringt viele Optionen und mehr Gerechtigkeit.
Die Regeln sind simpel: Drei Flüge pro Verein und Runde, je von unterschiedlichen Pilot:innen, zählen. Bewertet werden die Speedpunkte im Wertungsfenster. Der schnellste Club bekommt zwei Punkte pro teilnehmenden Verein (maximal 40), alle weiteren abgestuft. Automatisch, unkompliziert – ganz OLC-typisch. Und natürlich gilt auch in der Alpenliga: freie Strecke, maximale Performance.

Lieferdruck durch Alpenliga

Der FC St. Johann in Tirol ist ein eher kleiner Club, aktiv bei zentralen Wettbewerben, mit hohem Trainingsanspruch. „Die Liga gibt uns einen gewissen Lieferdruck“, sagt Martin Embacher. Denn dadurch steigen Motivation und Flugaktivität – auch an vermeintlich schlechten Tagen.
„Früher wurden bei mittelmäßiger Prognose oft gleich Reservierungen storniert“, erzählt er. „Jetzt gehen die Hangartore auf – und oft entwickelt sich dann doch etwas.“ Das Ergebnis: 30 Prozent höhere Auslastung übers Jahr gesehen und echte Vergleichsmöglichkeiten für Nachwuchspiloten.

Ausblick: Noch viele Runden, noch viele Chancen

Die Saison ist noch lang – und mit jeder Runde bieten sich neue Chancen. Auch für Vereine, die bisher zurückhaltend unterwegs waren, lohnt sich der Einstieg. Denn: In der Alpenliga kann jede Runde ein Wendepunkt sein. Ein klug genutztes Wetterfenster, ein starker gemeinsamer Flugtag im Verein – und der Blick auf die Tabelle verändert sich.
Text: Steffi Keller / Fotos: FC St. Johann
Quelle: OLC Magazin:
www.onlinecontest.org/olc-3.0/segelflugszene/singlenews.html?news=3744